PackReport 10-2006
Interview zum Thema „Kindersichere Verpackungen"
Europaweite Regelungen über die Art und Weise der richtigen Verpackung mit Schutz für Kinder liegen durch die EU Richtlinien seit langem vor. Trotzdem kommt es immer wieder zu Streitigkeiten und Prozessen, weil Verpackungen von Gewerbeaufsichtsämtern als nicht kindersicher aus den Regalen des Fachhandels verbannt werden. PackReport sprach mit dem Experten Dr. Horst Antonischki aus Gifhorn.
PackReport: Wie kann es geschehen, dass trotz EU Richtlinien und Zertifikaten nach ISO bzw. DIN, kindergesicherte Verpackungen im Handel unter Umständen keine ausreichende Schutzfunktion mehr aufweisen?
Dr. Antonischki: Verpackungen für gefährliche Produkte durchlaufen eine ganze Reihe von Prüfungen, bevor sie für den Einsatz im Handel zugelassen werden. Für Prüfungen auf Dichtigkeit, Falltests usw., ebenso wie die Prüfungen auf Kindersicherheit werden aber praktisch immer die Verpackung ohne die Inhalte geprüft, die später in diese Gebinde abgefüllt werden. Daher ist es möglich, dass insbesondere Öle, Treibstoffe oder organische Lösungsmittel oder deren Ausdünstungen den Kunststoff der Verpackung langfristig angreifen. Beim Kontakt mit einigen dieser Substanzen neigt z.B. Polyethylen je nach Dichtegrad dazu, aufzuquellen. Da die Sicherungen an den Verpackungen gegen ungewolltes Öffnen durch Kleinkinder oft nur wenige Zehntel Millimeter stark sind, kann ein so veränderter Kunststoffverschluss seine Sicherheitsfunktion verlieren, obwohl alle Prüfungen erfolgreich absolviert wurden. Europaweite Regelungen über die Art und Weise der richtigen Verpackung mit Schutz für Kinder liegen durch die EU Richtlinien seit langem vor. Trotzdem kommt es immer wieder zu Streitigkeiten und Prozessen, weil Verpackungen von Gewerbeaufsichtsämtern als nicht kindersicher aus den Regalen des Fachhandels verbannt werden.
Für das Einhalten der Richtlinien in der Frage der nachhaltigen Sicherheit ist der Inverkehrbringer eines Produkts verantwortlich.
PackReport: Sind die Richtlinien und Normen also nicht wirksam genug?
Dr. Antonischki: Das kann ich so nicht bestätigen. Die 1999/45 EG, die so genannte Zubereitungsrichtlinie schreibt genau vor, welche Stoffe in kindergesicherten Verpackungen verpackt sein müssen. Wenn Sie sich im Handel umsehen, werden Sie auch bemerken, dass sehr viele Produkte die keine Kindersicherung erfordern, trotzdem in Verpackungen mit Sicherheitsverschlüssen angeboten werden. Die Abfüller zeigen sich in der Regel also verantwortungsbewusst. Entscheidend ist hierbei, dass zwischen Verpackungshersteller und dem Abfüller gefährlicher Haushaltschemikalien, Baubedarf und Automobilprodukten keine ausreichende Kommunikation stattfindet. Häufig ist auch der Stand des recht speziellen Wissens bei den Beteiligten nicht ausreichend.
PackReport: Was bestimmt die Zubereitungsichtline bei der Nachhaltigkeit der Sicherheit von Verpackungen?
Dr. Antonischki: Die Richtlinie verlangt eindeutig eine nachhaltig sichere Verpackung in Artikel 9 1.1: „Die Werkstoffe der Verpackungen und der Verschlüsse dürfen nicht so beschaffen sein, dass sie vom Inhalt angegriffen werden oder mit diesem zu gefährlichen Verbindungen reagieren können.“ „Die Verpackungen und die Verschlüsse müssen in allen Teilen so fest und stark sein, dass sie sich nicht lockern und allen bei der Handhabung auftretenden Belastungen und Verformungen zuverlässig standhalten.“ „Behälter mit Verschlüssen, die nach Öffnung erneut verwendbar sind, müssen so beschaffen sein, dass die Verpackung mehrfach neu verschlossen werden kann, ohne dass der Inhalt entweichen kann.“ Und weiter in § 9 1.3: „Behälter, die bestimmte, dem Anhang IV unterfallende Zubereitungen, die im Einzelhandel angeboten werden bzw. für jedermann erhältlich sind, enthalten, -mit kindergesicherten Verschlüssen versehen sind… Die Vorrichtungen müssen den technischen Anforderungen von Anhang IX Teile A und B der Richtlinie 67/ 548/ EWG entsprechen.“Diese Textstellen verlangen eindeutig nachhaltig kindergesicherte Verpackungen.
PackReport: Wie steht es mit den Normen?
Dr. Antonischki: Auch die Normen für kindergesicherte Verpackungen, wie die ISO 8317 oder die identische DIN EN 28317 regeln die Art und Weise der Prüfungen zur Konformitätsbestätigung genau. Allerdings zeigt die Norm an der für die entscheidende Stelle der Nachhaltigkeit der Kindersicherung eine Ungenauigkeit. Die Formulierung der Norm im Punkt 3.2 lautet: „Vor der Prüfung wieder verschließbarer kindergesicherter Verpackungen muss sich sowohl der Hersteller als auch der Befüller davon überzeugen, dass die Lebensdauer der kindergesicherten Verpackung die in der Praxis zu erwartende Höchstzahl der Öffnungs- und Schließvorgänge überschreitet, ohne dass die Kindersicherheit in untragbarer Weise beeinträchtigt wird.“ (**) Die Formulierungen „zu erwartende Höchstzahl der Öffnungs-und Schließvorgänge“ sowie „untragbare Weise beeinträchtigt“ sind absolut nicht präzise genug, um einen formalen Test durchführen zu können. Wir im Institut VerpackungsMarktforschung versuchen, dieser Forderung der Norm trotzdem gerecht zu werden. Neben einer händischen Prüfung durch sehr erfahrene Fachleute, einer Berücksichtigung des Materials sowie der Konstruktion der Verpackung werden z. B. zusätzliche Öffnungen durchgeführt. Ja nach der Häufigkeit der Nutzung des Gebindes werden 20 bis 50 Öffnungen und Wiederverschlüsse exakt nach der Öffnungsanleitung vollzogen und anschließend die kindergesicherte Eigenschaft des Gebindes erneut geprüft. Da es sich allerdings um fabrikfrische Verschlüsse handelt, wie es die ISO 8317 vorschreibt, kann ein langfristiger Einfluss des Inhaltes im Institut in diesen Tests nicht erfolgen. Das führen wir in zusätzlichen Untersuchungen außerhalb des geregelten Bereichs auf Wunsch durch.
Definitionen und Hinweise Kindergesicherte Verpackung: |
PackReport: In diesem Zusammenhang taucht nun die entscheidende Frage auf: Wer ist denn verantwortlich dafür, dass die Richtlinien in der Frage der nachhaltigen Sicherheit eingehalten werden?
Dr. Antonischki: Die Richtlinie 1999/45 EG legt das eindeutig fest. Verantwortlich ist der Inverkehrbringer, also derjenige, der ein Produkt in den Handel bringt. Das ist ja auch nur logisch, denn nur der Abfüller kennt die Inhalte der Produkte genau. Der einfachste Weg um die Langzeitwirkung des Inhalts auf die Verpackung zu prüfen, besteht aus einem Versuch, in dem befüllte Verpackungen im Wärmeschrank Temperaturen zwischen 40 und 70 Grad über einige Tage oder gar Wochen ausgesetzt werden. Dadurch wird eine längere Lagerzeit simuliert. Schäden durch Inhaltsstoffe in der Verpackung lassen sich so ohne viel Aufwand gezielt feststellen. Auch der Verpackungshersteller ist verantwortlich, so z.B. für eine korrekte Zertifizierung von Verpackungen, die er als kindergesichert anbietet. Er hat darüber hinaus Sorgfalts- und Aufklärungspflichten gegenüber seinen Kunden über die Beeinflussbarkeit seiner Verpackungen durch bestimmte Inhalte. Weiter muss er sicher stellen, dass die Konstruktion des Trickverschlusses ausreichend stabil ist, um die Eigenschaft der Kindersicherheit über eine längere Nutzungsdauer zu erhalten. Aus diesen unterschiedlichen Verantworlichkeiten ist eine frühzeitige Zusammenarbeit und gemeinsame Kontrolle durch den Zertifizierer, Verpackungshersteller und Abfüller empfehlenswert.
EU-Richtlinien
Richtlinie 67/548 EWG Anhang IX (Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe)
Richtlinie 1999/45/EG (Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen) Zubereitungsrichtlinie, in England unter „CHIP III“ bekannt.
Nachzulesen unter www.europa.eu.int/eur-lex/. oder www.ivm-childsafe.de/ Gesetze EU-Richtlinien
PackReport: Was würden Sie als Zertifizierer von kindergesicherten Verpackungen als Lösung vorschlagen?
Dr. Antonischki: Eine größere Sicherheit brächte zunächst eine Präzisierung der Nachhaltigkeit im Rahmen der Normen. So könnte z.B. eine eigenständige ergänzende Norm sehr hilfreich sein. In dieser sollten einige Produktarten, die besonders aggressiv auf Kunststoffe wirken und die Nachhaltigkeit von Kindersicherungen außer Kraft setzten, definiert werden. Ferner müssen darin Tests festgelegt werden, mit denen die Chemikalienresistenz von Verpackungen neutral geprüft werden kann, z.B. Wärmeschrankversuche nach einheitlichen Regeln mit definierten Prüfstoffen. Das würde eine größere Produktsicherheit ergeben und die Haftungsfrage eindeutig regeln. Solange kein normiertes Prüfverfahren existiert, bleibt nur eine enge Abstimmung aller Beteiligten als Lösung.
PackReport: Danke für das Gespräch!
Mit Dr. Antonischki sprach Carlos Lange-Prollius,
Leitender Redakteur von PackReport