Macht es den Kinder schwer! Kindergesicherte Verpackungen für Arzneimittel

PackReport 12-2006

Kindergesicherte Verpackungen für Arzneimittel

Kaum ein Thema in der Verpackungsbranche ist so emotional aufgeladen wie die Sicherheit von chemischen oder pharmazeutischen Produktverpackungen vor sorglosen, neugierigen Kindern. Nur ein nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstelle für kindergesicherte Verpackungen akkreditiertes Institut darf die Konformität mit den Normen nach erfolgreich durchgeführtem Prüfverfahren bestätigen. 

Aufgrund unterschiedlicher bestehender Gesetzgebungen müssen bestimmte Arzneimittel in vielen Ländern kindergesichert verpackt werden. Die sich international teilweise stark in der Art der zu verpackenden Medikamente unterscheidenden rechtlichen Grundlagen haben dabei eine Gemeinsamkeit. Sie enthalten alle definierte Anforderungen, welche an die Verpackungen gestellt werden um deren kindersichere Wirkungsweise sicherzustellen. So bestehen international anerkannte Normen für kindergesicherte Verpackungen, welche deren Eigenschaften beschreiben und Verfahren zur Überprüfung der kindergesicherten Funktionsweise festlegen. Verpackungshersteller und Unternehmen der pharmazeutischen Industrie weisen die Konformität ihrer Verpackungen mit den Normen für kindergesicherte Verpackungen durch ein Zertifikat nach. Lediglich ein nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstelle für kindergesicherte Verpackungen akkreditiertes Institut ist berechtigt, die Konformität mit den Normen nach erfolgreicher Durchführung des Prüfverfahrens mit der Vergabe eines Zertifikates zu bestätigen. 

Gefahr für die Gesundheit von Kleinkindern

Kindergesicherte Verpackungen werden eingesetzt, um zu verhindern, dass Kleinkinder mit dem gesundheitsgefährdenden Inhalt der Verpackung ungehindert in Kontakt gelangen können. Gerade im Bereich der Arzneimittel erhält der Einsatz kindergesicherter Verpackungen eine besondere Bedeutung. Die gesundheitlichen Auswirkung gen bestimmter Wirkstoffe können bei unkontrollierter Einnahme lebensbedrohlich werden. Zudem lässt sich immer wieder beobachten, dass es für Kleinkinder relativ leicht ist, mit Medikamentenverpackungen im Haushalt der Eltern oder bei Verwandten in Kontakt zu geraten, wenn diese im Bad oder Schlafzimmer verhältnismäßig frei zugänglich sind. So lässt sich erklären, dass ein Großteil der Vergiftungsunfälle von Kleinkindern auf den ungewollten und ungehinderten Kontakt mit Arzneimitteln zurückzuführen ist. Der vermehrte Einsatz qualitativ hoch hochwertiger kindergesicherter Verpackungen bietet eine viel versprechende Möglichkeit, diesem Problem in verantwortungsvoller Weise zu begegnen. Für pharmazeutische Produkte sind unterschiedliche kindergesicherte Verpackungstypen bekannt. Diese verfügen in der Regel entweder über ein für Kleinkinder schwierig zu öffnendes Material oder über einen „Trick“ beim Öffnungsvorgang. Am bekanntesten sind dabei Verpackungen mit Verschlüssen, die sich durch gleichzeitiges Drücken und Drehen öffnen lassen sowie Blisterverpackungen mit Öffnungssicherungen oder sehr stabilen und dabei gleichzeitig flexiblen Deckfolien. Da das bloße Vorhandensein einer Öffnungssicherung an einer Verpackung noch keinen hinreichenden Beleg für deren einwandfreie kindergesicherte Funktion darstellt, wurden unterschiedliche nationale und internationale Normen verfasst, die Prüfverfahren beschreiben um die kindergesicherte Funktion einer Verpackung zu gewährleisten. Diese Normen sind in der Europäischen Union insbesondere die ISO 8317 (2003) für wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen und die DIN EN 14375 (2004) für nicht wiederverschließbare kindergesicherte Verpackungen für pharmazeutische Produkte. Diese Normen stellen Qualitätsstandards für kindergesicherte Verpackungen und gleichzeitig die einzige allgemein akzeptierte Möglichkeit dar, die beabsichtigte Funktion der Verpackung belegen zu können. Qualitative Überprüfung der kindergesicherten und seniorengerechten Funktion: Grundlage der in den Normen beschriebenen Prüfverfahren bildet jeweils ein zweimal fünfminütiger Test mit Kleinkindern im Alter zwischen 42 und 51 Monaten (vor und nach einmaliger Demonstration der Öffnung) bei dem diese versuchen, die Verpackung zu öffnen. 

Im Vergleich zu gefährlichen Haushaltschemikalien gibt es für Arzneimittel in der Europäischen Union leider noch keine einheitlichen Bestimmungen für den Einsatz von kindergesicherten Verpackungen

Um die Anforderungen der Norm innerhalb des Kindertest zu erfüllen, dürfen während der ersten fünf Minuten höchstens 15 Prozent einer Testgruppe von bis zu 200 Kindern in der Lage sein, die Verpackung zu öffnen. Für die volle Testdauer von 10 Minuten gilt eine Öffnungsquote von maximal 20 Prozent der teilnehmenden Kinder. Demgegenüber müssen 90 Prozent einer Testgruppe von 100 Erwachsenen im Alter zwischen 50 und 70 Jahren in der Lage sein, die Verpackung in einer vorgegebenen Zeit zu öffnen und ggf. wieder richtig zu verschließen. Während das Öffnen einer wiederverschließbaren Verpackung im Rahmen der Prüfungen nach ISO 8317 keiner besonderen Erläuterung bedarf, gilt eine Blisterverpackung bei der Überprüfung nach DIN EN 14375 im Rahmen der Tests mit Kindern erst nach der Entnahme bzw. beim Erreichen des Inhaltes von mehr als acht Einheiten als geöffnet. Sofern die Verpackung nicht über mehr als acht Einheiten verfügt, da der Blister z.B. nur vier Kavitäten besitzt oder es sich um einen Stickpack handelt, wird den Kindern die notwendige Anzahl von Verpackungen während des Tests zur Verfügung gestellt, um mindestens zehn Einheiten öffnen bzw. entnehmen zu können. Die Prüfungen entsprechend der Normen für kindergesicherte Verpackungen werden durch Institute durchgeführt, die dem Standard DIN EN 45011als Zertifizierungsstellen entsprechen und daher berechtigt sind, die Konformität der Verpackung in Form eines Zertifikates zu bestätigen. 

Verbindlicher Einsatz für pharmazeutische Produkte

In Deutschland und international bestehen gesetzliche Bestimmungen, welche den Einsatz von kindergesicherten Verpackungen für Arzneimittel, von denen ein gewisses Gefährdungspotential für die Gesundheit von Kleinkindern ausgeht, verbindlich vorschreiben. So wurde nach § 28 Arzneimittelgesetz in Deutschland der obersten Bundesbehörde die Möglichkeit eingeräumt, Anordnungen zu erlassen, nach denen Arzneimittel kindergesichert zu verpacken sind. Auf dieser Grundlage bestehen Bestimmungen, nach denen Arzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen (z.B. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol, etc.) in Deutschland in vielen Fällen nur in kindergesicherten Verpackungen vertrieben werden dürfen. Die unter diese Regelungen fallenden pharmazeutischen Produkte müssen im Falle der wiederverschließbaren Verpackungen der Norm ISO 8317 und im Falle der nicht wiederverschließbaren Verpackungen der Norm DIN EN 14375 (früher DIN 55559) entsprechen. Im Vergleich zu gefährlichen Haushaltschemikalien gibt es für Arzneimittel in der Europäischen Union leider noch keine einheitlichen Bestimmungen, welche den Einsatz von kindergesicherten Verpackungen verbindlich und einheitlich vorschreiben. So gibt es in einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ähnliche und abweichende Regelungen wie in Deutschland, während diese in anderen fehlen. Aus diesem Grund ist der breite Einsatz von zertifizierten kindergesicherten Verpackungen für international tätige Pharmaunternehmen besonders wichtig. 

Barrieren auf dem Weg zur Kindersicherheit

Nur auf diese Weise lässt sich sicherstellen, dass die vertriebenen Produkte den jeweiligen landesspezifischen Gesetzgebungen entsprechen und die notwendige Rechtssicherheit im Falle von Unfällen und Schadensersatzforderungen erreicht wird. Trotz der Unterschiede in den gesetzlichen Grundlagen in Bezug auf die Art der Arzneimittel und deren Wirkstoffe , so besteht doch eine einheitliche Anerkennung der Standards für kindergesicherte kindergesicherte Verpackungen für den Bereich der pharmazeutischen Produkte mit der ISO 8317 und der DIN EN 14375. Bei dem Versuch eine verbesserte Sicherheit für das Leben und die Gesundheit von Kleinkindern durch Normen, Gesetze und Selbstverpflichtungen der Industrie zu schaffen, existiert eine Vielzahl von Barrieren, die der Sicherheit von Kindern entgegen stehen. Mit Bedauern lassen sich Unwissen und Desinteresse immer wieder bei einigen beteiligten Verantwortlichen feststellen. So gibt es immer wieder Fälle von Unternehmen, die ihre vermeintlich kindersicheren Verpackungen vertreiben, ohne dass diese jemals eine Prüfung und Zertifizierung der gewünschten Funktionsfähigkeit durchlaufen haben. Gerade im Bereich der Blisterverpackungen lassen sich immer wieder erschreckende Auffassungen feststellen, wenn davon ausgegangen wird, dass diese grundsätzlich als sicher in Bezug auf Öffnungen durch Kleinkinder einzustufen seien. Ebenso falsch ist die Vorstellung, dass eine Deckfolie, die für den Aufbau eines Blisters verwendet wird als kindergesichert zertifizierfähig wäre. Ein Zertifikat nach DIN EN 14375 kann sinnvoll nur für eine vollständige Verpackung und nicht für einzelne Komponenten bestehen. Die kindergesicherte Funktionsweise einer Blisterverpackung ergibt sich schließlich durch das Zusammenspiel vieler Faktoren, bei der die Eigenschaften der Deckfolie (Material, Festigkeit, Flexibilität, etc.), der Formfolie (Material, Form der Kavitäten, etc.) und weitere Einflüsse, wie z.B. das Vorhandensein einer Perforation zusammenwirken. Darüber hinaus beeinflussen auch die Eigenschaften der verpackten Tabletten oder Pillen die kindergesicherte Funktion. Ebenfalls stellt Definition einer „Öffnung“ als Entnahme von mehr als acht Einheiten eine Schwachstelle der Norm DIN EN 14375 auf dem Weg zur Sicherheit von Kleinkindern dar, da Arzneimittel existieren, bei denen bereits die versehentliche Einnahme einer Tablette zu verheerenden gesundheitlichen Schäden führen kann. Ganz anders sind die hierbei vergleichbaren Regelungen in den Vereinigten Staaten, in denen per Gesetz sowohl vorgeschrieben ist (vgl. US 16 CFR § 1700.20), dass verschreibungspflichtige Arzneimittel bis auf einige Ausnahmen kindergesichert zu verpacken sind und dass die Definition der Öffnung einer Blisterverpackung an die Dosis gebunden ist, ab der Kleinkinder gesundheitliche Schäden erleiden können. 

Proaktives Handeln im Sinne der Kindersicherheit  

Pharmaunternehmen und Verpackungshersteller sind aufgefordert, im Sinne der Sicherheit von Kleinkindern dem Thema rund um den Einsatz kindergesicherter Verpackungen verantwortungsvoll zu begegnen. Es existieren viele konstruktive Ansätze, deren rechtzeitige Berücksichtigung zu dem gewünschten Erfolg führen kann, sowohl für wiederverschließbare als auch für nicht wiederverschließbare Verpackungen. Um die korrekte Funktionsweise einer zu entwickelnden Verpackung zu gewährleisten ist es ratsam sich bereits frühzeitig mit dem Thema Prüfung und Zertifizierung der kindergesicherten Verpackungen auseinanderzusetzten. Auf diese Weise lassen sich technische Ansätze optimieren oder auch Varianten ausschließen bevor diese eine fortgeschrittene Entwicklung erreicht haben. Bestehende Fragen rund um das Thema kindergesicherte Verpackungen werden durch das ivm Institut VerpackungsMarktforschung beantwortet, welches seit den 1970er Jahren Erfahrungen mit der Entwicklung und Zertifizierung von kindergesicherten Verpackungen besitzt. Das ivm ist nach DIN EN 45011 als Zertifizierungsstelle für kindergesicherte Verpackungen akkreditiert.


www.ivm-childsafe.de
Autor Dr. Rolf Abelmann