Entschieden wird in den USA

neue verpackung 12-2008

Talk-im-Museum zum Thema Seniorenfreundlichkeit


Die Alten scheitern an nicht gewollten Hürden der Verpackung. Die Jungen erreichen kindlich-experimentell gefährliche Stoffe. Dabei sollen sich den KindernHindernisse in den Weg stellen und den Senioren bequeme Öffnungsmöglichkeiten anbieten. Die Diskussion im Verpackungsmuseum Heidelberg ergab: Die Seniorenfreundlichkeit steht erst am Anfang.

neue verpackung: Kindersicher und zugleich seniorenfreundlich gelten eigentlich als Standard bei der Verpackung kindergefährdender Stoffe. Die Realität sieht allerdings anders aus. Wo die ältere Generation Probleme bekommt, erreichen Kinder spielerisch den Inhalt. Klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander?

Dr. Horst Antonischki: Es ist sicherlich so, dass Kindersicherung und Altentauglichkeit in der Verpackung einander scheinbar widersprechen. Das muss aber nicht der Fall sein. Es gibt durchaus Lösungen, die beiden Seiten gerecht werden. Die geläufige Lösung bei Behältern –Drücken und Drehen – ist bereits 1946 entwickelt worden. Das Prinzip stammt aus den USA und hat das Ziel, Kinder durch Schwergängigkeit am Öffnen zu hindern. Es hat sich zumindest bei den Behältern für pharmazeutische Produkte sehr breit durchgesetzt und hat seine Funktionsfähigkeit bewiesen. Die Schwierigkeit liegt in der Regel bei der Seniorengerechtigkeit. Eine für beide Ziele brauchbare Lösung entsteht, zum Beispiel dadurch, dass der Druck-Dreh-Verschluss durch einen Bajonett-Verschluss oder eine Lösung, bei der zwei Symbole übereinandergestellt werden müssen, ersetzt wird. Aus der Industrie dagegen hören wir: Die Alten können mit dem Drück-Dreh-Verschluss am besten umgehen, weil sie ihn kennen. Unsere Erfahrung bei der Zertifizierung kindergesicherter Verschlüsse belegt: Die Senioren durchschauen den Trick bei den Öffnungsmechanismen durchaus. Es sind meist die motorischen Fähigkeiten, die sie daran hindern, eine Verpackung bequem öffnen zu können.

Meino Adam: Seniorengerechtigkeit ist für ein Pharma-Unternehmen schwer zu definieren. Diese Industrie orientiert sich Entschieden wird in den USA am Krankheitsbild und nicht ausschließlich über eine Altersphase.

Salvatore Santoro: Blister sind im Hinblick auf Kindersicherheit eigentlich prädestiniert, weil man immer nur eine Dosis entnehmen kann. Die Anforderungen an Kindersicherheit und Seniorenfreundlichkeit sind jedoch gegenläufig. Hürden, die man Kindern in den Weg legt, sollten für Senioren leicht zu bewältigen sein. Wir können in Zusammenarbeit mit den Pharmazeuten Lösungen, wie unseren Peel-Push-Verschluss, entwickeln. Letztendlich ist es jedoch der Pharmazeut, der entscheidet, welche Lösungen er in den Markt bringt. Hierbei sind auch wirtschaftliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Desweiteren muss der Endverbraucher den Öffnungsmechanismus verstehen und akzeptieren.

Dr. Erika Neubauer: Die BAGSO hat Befragungen bei den Älteren durchgeführt Danach haben bereits 92 Prozent Schwierigkeiten, selbst nicht kindergesicherte Verpackungen zu öffnen. 40 Prozent beklagen, dass sie mehrfach pro Woche vor diesem Problem stehen.Die größten Probleme bestehen bei Produkten mit Folieneinschlag. Dazu gehören auch viele Pharmaprodukte. Ältere neigen dazu, sich kindergesicherte Produkte öffnen zu lassen und in einem ungesicherten Zustand aufzubewahren. Dann taugt die beste Kindersicherung nichts mehr.

Meino Adam: Die Hauptanforderung an die Verpackungsindustrie lautet immer: Wir benötigen eine kindergesicherte Verpackung. Die Senioren waren in den letzten Jahren noch kein Thema. Die Senioren sind aber ein großer Markt, sie nehmen mit Abstand die meisten Medikamente.Deswegen kommt das Thema langsam an die Oberfläche. Die bestehenden Normen machen es der Industrie relativ leicht. Die Senioren, die an den Tests teilnehmen, sind zwischen 50 und 70 Jahren alt. Die wenigsten davon sind im eigentlichen Sinne Senioren.

Salvatore Santoro: In der aktuellen Norm EN 14375 sind die Senioren stärker berücksichtigt als in der alten Norm DIN 55559. Diese Norm haben wir als Vorgabe. Hier werden Senioren für die Tests herangezogen, die normale Fähigkeiten aufweisen. Wir müssen uns an die geltende Norm halten. Die Chance zur Berücksichtigung von älteren Erwachsenen mit eingeschränkten Fähigkeiten besteht in der Anpassung der  vorgeschriebenen Tests aus der Norm. Die Schwierigkeit ist allerdings, den Begriff „eingeschränkte Fähigkeiten“ genau zu definieren, denn hieraus können sich Anforderungen in stark unterschiedliche Richtungen ergeben.

neue verpackung: Es möchte niemand Senior sein. Man fühlt sich jung geblieben. Muss man das Thema vielleicht umbenennen, um es aus einer ungeliebten Ecke heraus zu bekommen? 

Dr. Horst Antonischki: Unter dem Begriff Design-for-all oder Universal-Design betritt das Thema „Easy opening“ gegenwärtig die Normenlandschaft. Die Normen für kindergesicherte Verpackungen verlangen eine Kindersicherheit für bestimmte Inhaltsstoffe. Sie erreicht faktisch Gesetzescharakter, weil sie durch Anordnung, zum Beispiel durch das BfArM, eingehalten werden muss. Die Dinge, die jetzt kommen, wie zum Beispiel Easy-Opening, werden freiwillige Normen sein. Deswegen werden die zunächst auch nicht so ernst genommen.

neue verpackung: Was wird dort denn verlangt? 

Dr. Horst Antonischki: Design-for-all soll eine Convenience-Verpackung für alle Menschen ermöglichen. Deswegen enthält diese Verordnung sehr viele Komponenten, nicht nur die zum Öffnen notwendige Kraft. Es geht um die Dimensionen, das Sehen und Halten, Greifen und Tragen. Alle diese Bestandteile sollen irgendwann in diese Norm einfließen. Im Augenblick befassen wir uns mit dem substanziellen, dem leichten Öffnen. Dabei ist ein Blick auf den Initiator hilfreich. Die Anregung kommt von der schwedischen Rheuma-Liga. Deswegen sehen wir beim Aufbau der Norm mit extremen Forderungen bei den Prüfvoraussetzungen konfrontiert. Und diese Entwicklung wird wegen des Wettbewerbsdrucks kommen. Wenn erste Discounter Easy-Opening gemäß dieser Norm verlangen, werden andere nachziehen.

Dr. Manfred Zurkirch: Über der Seniorengerechtigkeit darf man die Kindersicherung nicht vergessen. Die Medikamente werden von den Inhaltsstoffen her potenter. Das wird dazu führen, dass irgendwann die einzelnen Tabletten geschützt werden müssen. Single-Protec tion erleben wir bereits in den USA. Deswegen vermute ich, die Kluft zwischen Kindersicherheit und Seniorenfreundlichkeit wird größer.

neue verpackung: Die Maschinenindustrie kann die entsprechenden Lösungen bieten?

Dr. Manfred Zurkirch: Wir sehen viele Lösungen auf dem Markt. Ein Gutteil kann man sofort vergessen. Da werden Verpackungen aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt. Die sind nicht automatisierbar; die sind zu teuer. Die Industrie wird zwar bereit sein, ein wenig mehr zu investieren. Aber es darf in den USA nicht viel mehr kosten als die Fläschchen. Und die kosten aufgrund von Überkapazitäten fast nichts. Das bedeutet konkret, die Automatisierung muss einfach zu machen sein. Ein cleveres Verpackungskonzept in Kombination mit einer einfachen, flexiblen Maschinenkonfiguration wird diese Herausforderungen aber meistern.

Lothar Brauer: Die Norm unterscheidet zwischen wieder verschließbaren und nicht wieder verschließbaren Verpackungen. Sie greift damit direkt auf die Verwendung der Verpackung zu. Da sollten sich die Anforderungen zum Beispiel zwischen Pharmazeutika und Baumarktprodukten unterscheiden. Es ist eine Stilblüte, wenn 30-Liter-Gebinde mit 60-mm-Verschlüssen als kindersichere Verpackungen ausgelegt werden sollen. Wir produzieren Derartiges auf Kundenwunsch, aber die Sinnhaftigkeit steht in Frage.

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Ich bin eigentlich zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren wunderbare Lösungen kommen werden. Dabei betrachte ich das Normen-Geschehen eher kritisch. Normen bewegen soviel, wie sie auch hemmen. Für den Bereich Kindersicherheit haben Normen ihre Berechtigung. Bei den Senioren kann aber eigentlich nichts passieren. Im Zweifelsfall kann der Senior die Packung nicht öffnen. Dadurch entsteht kein Risiko. Hier geht es um mehr Convenience. Dieser Markt bietet erheblich mehr Freiraum. Deswegen sehe ich hier eher Impulse als Normen. Wir sollten die Beteiligten motivieren, kreativ an Lösungen heranzugehen. Bei Alltagsprodukten wie Toilettenpapier haben Tragegriffe oder Öffnungshilfen Bewegung in den Markt gebracht. Normen werden hier gar nicht gebraucht.Es geht um Wettbewerb im klassischen Sinn. Das honoriert der Markt. Das honorieren auch die Älteren. Interessanterweise sind es häufig Handelsmarken, die durch besondere Convenience auffallen. Dafür bedarf es keines Begriffs wie der Seniorengerechtigkeit. Darüber entscheiden die Kunden jeden Tag an der Ladentheke.

Dr. Erika Neubauer: Natürlich wird es der Markt schon richten. Aber das dauert sehr lange. Und die Anforderungen an die Produkte sind unterschiedlich. Beim Beispiel Toilettenpapier kann der Kunde die im Verkaufsregal präsentierten Produkte selbst prüfen und miteinander vergleichen, so dass eine Auswahl- und Entscheidungsmöglichkeit besteht. Dies ist bei Pharmazeutika, die der Apotheker auf den Tisch legt, nicht gegeben. Normen, oder zumindest erprobte Prüfverfahren, können deswegen die Sache voranbringen. Ich habe aber den Eindruck, da gibt es noch gar nicht so viel. Hier wären mehr Klarheit und Standardisierung hilfreich. 

Dr. Kornelia Grießmann: Bei den Pharmazeutika ist die Entscheidung nicht derart kundengesteuert, weil die Apotheken in der Regel verpflichtet sind, das abzugeben, was im unteren Preisbereich liegt. 

Lothar Brauer: Es bleibt wichtig, dass bestimmte Entwicklungen weiter über Normen geregelt werden. Als Unternehmen, das in Deutschland entwickelt, aber global vertreibt, sind wir daran interessiert, eine weltweit einheitliche Norm zu haben. Damit kann ich Lösungen, die ich in Deutschland getestet und zugelassen habe, auch in den USA nutzen.

Salvatore Santoro: Im Hinblick auf die Toxizität herrschen in den USA und in Europa unterschiedliche Vorschriften. Das bedeutet, Pharmazeuten, die auf beiden Kontinenten verkaufen, müssen sich nach beiden Normen richten. Wir bzw. der Kunde müssen uns an die geltenden Normen halten, wir können aber auch in Zusammenarbeit mit dem Kunden Lösungen entwickeln die höheren Anforderungen erfüllen. Die Lösungen hängen jedoch maßgeblich vom Design der Tablette und des Blisters ab und können nur in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden erarbeitet werden. Wir haben auch Designstudien mit alternativen Öffnungsmechanismen durchgeführt, die Lösungsansätze für die Zukunft aufzeigen.

Meino Adam: Wir richten uns immer nach der amerikanischen Norm, egal, für welchen Markt wir entwickeln, weil die jeder weltweit anerkennt. Das ist die härteste Norm und der Markt gibt sie vor. Der Markt bewegt sich deutlich in Richtung altersgerecht. Selbst in der jüngeren Generation ist das Thema Convenience und Compliance zu einem wichtigen Thema geworden. Die Pharmazeuten haben erkannt, dass es Probleme gibt. So werden Toploader-Verpackungen, bei denen die Verpackungen an der größten Seitenfläche geöffnet werden, deutlich zulegen. Dazu kommen neue Anwendungsformen wie Inhaler, die dem Patienten den Gebrauch erleichtern. Die Pharmazeuten kennen aber auch die Probleme der Patienten beim einzelnen Krankheitsbild. Sie wissen, Patienten sind bei bestimmen Medikamenten motorisch gestört. Hier werden entsprechende Forderungen an uns weitergetragen. Die Pharma-Industrie hat erkannt, die Verpackungen sind für den Verbraucher, auch den normalen, zu schwierig angelegt. Dies gilt insbesondere für Markenhersteller. Die werten ihre Verpackungen im Vergleich zu den Generika-Herstellern auf.

Dr. Horst Antonischki: Die interdisziplinäre Zusammenarbeit klappt bis heute nicht ausreichend. Die Entwicklung würde einfacher verlaufen, wenn die Gesichtspunkte „Kindersicherheit“ und „Convenience„ von Anfang an in die Diskussion einfließen würden. Unser Institut bekommt immer wieder Packungen zur Prüfung, die praktisch fertig entwickelt sind. Es ist dann sehr schwer, an den teuer entwickelten Verpackungen noch etwas zu ändern. Wenn der Erfahrungsschatz, der bei der Kindersicherheit besteht, rechtzeitig eingebracht werden kann, werden auch kostengünstige Lösungen möglich.

Dr. Manfred Zurkirch: Der Markt der Seniorenfreundlichkeit wird ebenso wie die Norm in den USA entschieden. Dort müssen sich immer mehr Brands differenzieren. Das können sie nicht mit den traditionellen Flaschen. Die dortige Industrie wird das Thema pushen und eigene Tests durchsetzen. Wer etwas auf den Markt bringen kann, was den Senioren gefällt, der gewinnt. Aber eins ist auch sicher, die perfekte Packung wird es nie geben.

Dr. Horst Antonischki: Wir prüfen weltweit Produkte. In der Tat wird hier meist die amerikanische Norm zugrunde gelegt.

Lothar Brauer: Wenn die amerikanischen Unternehmen sich von den Flaschen abwenden, dann sind Entwicklungen für Verschlüsse in diese Richtung natürlich eine Sackgasse. 

Dr. Horst Antonischki: Auf lange Sicht sicherlich.

neue verpackung: Wallets gelten als eine kindersichere Lösung. Inwieweit sind sie auch altersgerecht, so convenient, dass der Senior oder auch der Kranke an seine Tablette kommt, wenn er sie akut benötigt? 

Dr. Horst Antonischki: Konkrete Erkenntnisse liegen hier noch nicht vor. Es sind noch zu wenige im Markt. Generell ist festzustellen, dass die außen gesicherten Wallets leichter zu öffnen sind, wenn das Prinzip verstanden wurde. Hier sind nur zwei Bewegungsabläufe notwendig. Die innen gesicherten Wallets dagegen bieten einzeln gesicherte Pillen. Da erleben wir dann, dass es für Senioren sehr schwierig wird. Es müssen drei, vier, manchmal sogar fünf Bewegungen hintereinander gemacht werden. 

Dr. Kornelia Grießmann: Drei, vier Bewegungen, das fördert auch bei Jüngeren nicht gerade die Compliance.

Dr. Horst Antonischki: Bei einem Blister lässt sich unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherungsmaßnahmen immer noch eine relativ bequeme Pharmaverpackung finden. Kinder neigen dazu, Blister zu drehen und zu knautschen. Sind die Blister dann mit Perforationen versehen, dann vereinzeln die Tabletten. Die Kinder verlieren das Interesse. Deswegen haben wir mit Peel-Push-Folien gute Erfahrungen gemacht, sofern sie richtig konstruiert sind.

Salvatore Santoro: Es müssen nicht immer komplizierte technische Lösungen sein. Man erreicht auch Kindersicherheit, indem man die Hürde erhöht. Wir verfügen über Folien, bei denen wir die Durchstoßkraft anpassen können. Dies praktizieren wir oft. Dafür müssen wir aber frühzeitig in die Entwicklung beim Kundeneingebunden werden.

neue verpackung: Convenience-Aspekte spielen bei rezeptpflichtigen Medikamenten gegenwärtig eine untergeordnete Rolle. Haben die Pharma-Unternehmen den Verbraucher trotzdem im Blick?

Dr. Kornelia Grießmann: Der Pharmazeut in der Apotheke ist heute daran gebunden, was er abgeben darf. Das gilt natürlich nicht für den OTC-Bereich. Bislang diskutieren wir aber überwiegend für den Sektor der Neuentwicklungen. Es gibt naturgemäß viel mehr Altprodukte. Hier stehen im Rahmen des Life-Cycle nicht die Mittel zur Verfügung, die für eine neue Brand bereitgestellt werden. Dazu stellt sich die Frage, wieweit verändere ich die Verpackung einer Marke, die lange Zeit im Markt ist – auch im Sinne der Kunden Compliance. Wenn ich eine entsprechende Änderung einleite, müssen die dazu gehörenden Qualitätsdaten gewonnen werden. Das sind Kosten, die zunächst einmal nicht betrachtet werden.

Dr. Horst Antonischki: Bei Altpräparaten lassen sich auch durch geringen Aufwand, wie Änderungen der Folie oder der Konstruktion, bemerkenswerte Effekte sowohl bei der Convenience als auch bei der Kindersicherheit erzielen. Das muss nicht viel kosten. 

Meino Adam: An einem bestehenden Produkt etwas zu verändern, ist so gut wie unmöglich. Da müssen neue Zulassungen beantragt werden, für neue Folien sind neue Stabilitätstests notwendig. Deswegen wird dies nicht funktionieren. Wo etwas zu bewegen ist, das sind jene Blockbuster, die bei der Industrie noch in der Pipeline stecken. Es müssen tatsächlich Blockbuster sein, die eine eigene Abpacklinie rechtfertigen. Mit dem richtigen Umsatz sind auch spezielle Lösungen möglich.

Dr. Manfred Zurkirch: Hätten wir heute noch Mono-Linien, dann wäre das Unternehmen tot. Kunden, die heute Maschinen bei uns kaufen, wechseln zum Teil fünf bis sechs Mal am Tag das Produkt und somit das Format.

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Auf Dauer wird es sich kein Arzt leisten können, Medikamente zu verordnen, die eine schlechte Convenience aufweisen. Auf mittlere Sicht wird auf diesem Gebiet zwischen den Pharma-Unternehmen ein harter Wettbewerb einsetzen, weil die Innovationen fehlen. Wenn damit die wissenschaftlichen Argumente ausgehen, werden die Pharmazeuten in die gleiche Lage versetzt, wie die Konsumgüter-Industrie. Deswegen muss mit Mehrwert argumentiert werden.

Dr. Kornelia Grießmann: Da würde ich nur für OTC-Produkte zustimmen. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten sehe ich das im Sinne von Sparmaßnahmen nur sehr beschränkt. Gerade bei generischen Produkten ist der Einfluss seitens des Markts nicht sehr groß. 

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Ich betrachte dies aus dem Blickwinkel der Arzt-Patienten- Beziehung. Der Pharma-Außendienst wird nämlich gegenüber dem Arzt mit Convenience-Aspekten argumentieren. Das ergibt für die Beziehung zwischen Arzt und Patienten ein schlagendes Argument, das in den nächsten Jahren sehr viel stärker werden wird. Der Arzt wird also versuchen, den Spielraum, den er hat, in Richtung dieser Präparate zu lenken. Salvatore Santoro: Kindergesicherte Verpackungen sollten zur Selbstverständlichkeit werden. Dazu ist eine Norm hilfreich. Damit wird sichergestellt, dass sich alle Beteiligten mit dem Thema frühzeitig auseinandersetzen.

Lothar Brauer: Eine Norm ist ja nicht etwas, was ewig stehen bleibt. Es ist vom Gesetzgeber vorgesehen, dass sie alle fünf Jahre überarbeitet wird. Damit wird der Möglichkeit der technischen Weiterentwicklung Rechnung getragen.

neue verpackung: Wenn der Verbraucher mehr Wünsche äußert, auf mehr Convenience drängt: Welche Chancen verbinden sich denn damit? 

Dr. Gundolf Meyer-Hentschel: Die Innovation treibt alle Warenbereiche deutlich nach vorne. Bei einem Vergleich zwischen Markenartikeln und Generika haben wir festgestellt, dass einzelne Generika-Hersteller unter Convenience-Aspekten äußerst gute Verpackungen aufweisen. Diese Anbieter haben das Thema erkannt, mit dem sie in Zukunft punkten können. Es ist im Grunde bei Handelsmarken und Generika die gleiche Denkhaltung. Sie sind nah am Kunden und werden den Handhabbarkeitskriterien in den nächsten Jahren noch mehr Bedeutung beimessen. Das wird kreative Lösungen für beide Seiten des Problems bringen.